Dr. Christian Sander ist als Manager Metrology der Testo Industrial Services GmbH in Personalunion Leiter des akkreditierten Kalibrierlabors und des akkreditierten Anbieters von Eignungsprüfungen. Er ist Mitglied im Fachbeirat 5 Metrologie des Akkreditierungsbeirates (AKB) der DAkkS sowie Vorsitzender des Fachausschusses Länge im DKD (Deutscher Kalibrierdienst).
Das Wichtigste ist: Einfach anfangen, ausprobieren und Schritt für Schritt vorankommen
Herr Dr. Sander, aktuell bereitet sich Ihr Labor auf die Einführung des digitalen Akkreditierungssymbols vor. Können Sie uns kurz schildern, was das digitale Akkreditierungssymbol für Ihr Unternehmen bedeutet?
Derzeit stellen wir unseren Kunden Ergebnisberichte im PDF-Format zur Verfügung. Besonders im Pharmabereich haben viele unserer Kunden den Wunsch nach einer elektronischen Signatur. In unserem Prozess ist daher bereits ein elektronisches Siegel integriert, das den Herausgeber bestätigt – ein sogenanntes Firmensiegel, das uns von der D-Trust bereitgestellt wird. Das digitale Akkreditierungssymbol kann dieses Testo eigene Firmensiegel ablösen, da es dieselben Funktionen und zusätzlich die entsprechenden Akkreditierungsinformationen bereitstellt. Das ist ein entscheidendes Element für die kostengünstig sichere Ausgabe digitaler Zertifikate und Berichte. Das digitale Akkreditierungssymbol ist heute unverzichtbar, um Sicherheitslücken zu schließen und eine vertrauenswürdige digitale Nachweiskette der Akkreditierung und Konformitätsbewertung zu gewährleisten.
Die Nachfrage nach digitalen Prüfberichten und Zertifikaten wird kundenseitig steigen, darauf muss man sich als Kalibrierlabor einstellen.
Richtig. Die Nachfrage kam für uns vor allem aus dem Pharmabereich, wo die Echtheit von Zertifikaten jederzeit nachgewiesen werden muss. Früher erhielten unsere Pharmakunden Papierscheine, die sie manuell unterzeichnen und anschließend einscannen mussten. Diese Ausdrucke mussten als Rohdatenberichte abgelegt werden, um sicherzustellen, dass das elektronische Dokument im Original vorlag. Dieser Prozess war mit erheblichem Aufwand verbunden, insbesondere in einer Branche wie der Pharmaindustrie, wo die Sicherstellung der Unveränderlichkeit von Dokumenten höchste Priorität hat. Mit der Einführung unseres eigenen Unternehmenssiegels hat sich dieser Prozess grundlegend verändert: Unsere Kunden können ihre Dokumente nun sicher und vollständig elektronisch archivieren. Das Siegel gewährleistet nicht nur die Echtheit und Unveränderlichkeit der Dokumente, sondern zeigt auch den Herausgeber eindeutig an. Dies trägt dazu bei, Prozesse zu optimieren und den hohen Anforderungen der Pharma-Branche gerecht zu werden.
Welche Vorteile erwarten Sie durch die Nutzung des digitalen Akkreditierungssymbols?
Das Konzept, das die DAkkS in Zusammenarbeit mit der D-Trust entwickelt hat, wird uns einen erheblichen Kostenvorteil bringen. Bisher müssen wir für jede elektronische Signatur und für unser eigenes Unternehmenssiegel bezahlen, auch wenn dies in einem Paketpreis enthalten ist – zusätzliche Signaturen verursachen jedoch Zusatzkosten. Der Austausch unserer bisherigen Signaturen und des bisherigen Firmensiegels durch das digitale Akkreditierungssymbol ermöglicht es uns, diese Kosten zu senken. Die getroffenen Vereinbarungen sehen eine Lizenzgebühr von unter 500 Euro vor, die von der DAkkS eingezogen und an die D-Trust weitergeleitet wird. Das ist deutlich günstiger als die aktuellen Kosten, die wir haben. Das digitale Akkreditierungssymbol bietet somit ein weiteres überzeugendes Argument für große Labore, die möglicherweise ohnehin über eine Umstellung nachdenken – unabhängig vom Format des Ergebnisberichts, sei es XML oder PDF. Es ist eine preislich attraktive Lösung, die zusätzlich zu den funktionalen Vorteilen auch wirtschaftliche Anreize schafft.
Können Sie noch mal kurz beschreiben, welche internen Vorbereitungen notwendig sind, um das digitale Akkreditierungssymbol zu implementieren?
Der erste Schritt besteht immer darin, den Prozess zur Erstellung von Zertifikaten oder Ergebnisberichten im Unternehmen zu analysieren. Hier gibt es verschiedene Ansätze, die je nach Ausgangslage unterschiedlich komplex sein können. In unserem Fall wird die Umstellung vergleichsweise einfach, da wir bereits ein Firmensiegel einsetzen. Es musste lediglich durch das neue Siegel, dem digitalen Akkreditierungssymbol, ersetzt werden. Für andere Unternehmen kann es jedoch notwendig sein, sich intensiver mit den technischen Anforderungen auseinanderzusetzen. Unsere IT-Abteilung unterstützt diesen Prozess bei uns. Besonders spannend wird es, wenn man den nächsten Schritt ins Auge fasst: die Einführung digitaler Kalibrierscheine auf XML-Basis. Diese bieten enorme Potenziale für die Standardisierung und Digitalisierung von Prozessen.
Welche Tipps würden Sie anderen akkreditierten Stellen geben, die überlegen, das digitale Akkreditierungssymbol zu beantragen?
Die Digitalisierung stellt für viele Labore – insbesondere kleinere – eine echte Herausforderung dar. Das digitale Akkreditierungssymbol ist keineswegs ausschließlich für den DCC vorgesehen. Es bietet vielmehr eine vielseitige Lösung, die es ermöglicht, auch in den kommenden Jahren zahlreiche Dokumente im PDF-Format elektronisch zu signieren. Das PDF-Format bleibt weiterhin ein wichtiger Standard, und das digitale Akkreditierungssymbol ist bestens darauf ausgelegt, diese Form der Dokumentation sicher und zuverlässig zu unterstützen und ist ein wichtiger Schritt für vertrauenswürdige digitale Nachweisketten. Doch das digitale Akkreditierungssymbol ist nicht nur für PDFs. Es kann auch auf maschinenlesbare Berichte leicht angebracht werden. In der Kalibrierwelt ist das vorrangig in der Kombination mit dem DCC (Digital Calibration Certificate) interessant. Der DCC im XML-Format klingt zunächst komplex, ist aber keine Raketenwissenschaft. Die anfänglichen Hürden wirken oft größer, als sie tatsächlich sind. Wichtig ist, sich nicht abschrecken zu lassen, sondern loszulegen.
Viele Kalibrierlaboratorien erkennen die Vorteile des DCC, verharren jedoch in einer abwartenden Haltung. Woran, denken Sie, könnte das liegen?
Ich glaube, ein wichtiger Punkt ist, dass viele auf ein „fertiges Produkt“ warten – aber der DCC ist kein Produkt im klassischen Sinne. Man könnte jetzt noch zwei Jahre warten, bis es mehr Harmonisierung und zusätzliche Beispiele für unterschiedliche Messgrößen gibt. Doch das, was wirklich benötigt wird, um mit dem DCC zu arbeiten, ist davon völlig unabhängig. Es ist wichtig zu verstehen, dass der DCC keine Software ist, die sich irgendwann aus einer Beta- in eine Alpha-Phase entwickelt und dann fertig zur Nutzung bereitsteht. Der DCC ist vielmehr ein Werkzeug, eine Art Open-Source-Technologie, die individuell an die eigenen Prozesse angepasst werden muss. Er ist in erster Linie ein Träger von Informationen. Wie ich den DCC befülle, wie ich ihn an Kunden übertrage und welche spezifischen Herausforderungen meiner Kunden ich damit löse – all das hängt von den eigenen Anforderungen und Zielen ab. Gleichzeitig eröffnet er die Chance, Kundenbindung für die Zukunft zu schaffen. Diese strategischen Aspekte werden oft noch zu wenig beachtet.
Wo Chancen bestehen, gibt es auch Risiken. Wie beurteilen Sie diese?
Natürlich birgt der DCC sowohl Chancen als auch Risiken. Das Risiko besteht darin, Zeit und Geld zu investieren, ohne am Ende einen echten Mehrwert zu erzielen. Doch die Chancen überwiegen, vor allem wenn man bedenkt, dass sich die Nachfrage auf dem Markt spürbar verändert hat. Innerhalb eines Jahres ist der DCC in der Industrie wesentlich präsenter geworden, und immer mehr Kunden fragen aktiv danach. Wer frühzeitig ein Angebot entwickelt, hat die Möglichkeit, sich in einem wachsenden Markt einen klaren Vorsprung zu sichern.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Sander.
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Susanne Kuch, M.A.
Referentin für Digitalisierungspolitik in der Qualitätsinfrastruktur | Stabsbereich Akkreditierungsgovernance, Forschung und Innovation