Dr. Michael Melzer ist Leiter des Kalibrierlabors der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und beschäftigt sich im Bereich Temperatursensoren, Thermoelemente und Thermometer mit der Erstellung digitaler Kalibrierscheine als einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer vollständig vernetzten und digitalisierten Mess- und Prüfprozesslandschaft.
Das digitale Akkreditierungssymbol ist alternativlos
Herr Dr. Melzer, auf dem QI-Digital Forum 2024 haben Sie den Einsatz der eAttestation, also dem mit dem digitalen Akkreditierungssymbol versehenen Konformitätsnachweis, vorgestellt. Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Vorteile?
Dr. Michael Melzer: Die eAttestation, die mit dem digitalen Akkreditierungssymbol der DAkkS versehen ist, stellt eine wichtige Entwicklung im Zuge der Digitalisierung der Qualitätsinfrastruktur dar. Sie garantiert nicht nur die Qualität und Konformität von Produkten und Dienstleistungen, sondern sie ermöglicht es auch, diese Nachweise manipulationssicher und maschinenlesbar auszustellen. Das bedeutet, dass wir in Zukunft papierlose und global einsetzbare Nachweisketten schaffen können, die den Handel und die Qualitätsinfrastruktur erheblich effizienter machen.
Was macht das digitale Akkreditierungssymbol zu einem so entscheidenden Werkzeug für die Digitalisierung der Qualitätsinfrastruktur (QI)?
Das digitale Akkreditierungssymbol ist ein zentrales Element, weil es die Authentizität und Integrität von Konformitätsnachweisen garantiert. In einer digitalen Welt, in der Manipulationen und Fälschungen immer einfacher werden, bietet das Symbol eine sichere Methode, um die Echtheit von Dokumenten zweifelsfrei nachzuweisen. Für akkreditierte Stellen, wie zum Beispiel Kalibrierlabore, ist dies essenziell, um Vertrauen in die digitalen Zertifikate und Nachweise zu schaffen und somit die Grundlage für automatisierte, papierlose Prozesse zu legen.
Sie haben im Demonstrator der BAM den Einsatz der eAttestation konkret gezeigt. Können Sie uns einen Einblick geben, wie dieser Demonstrator funktioniert?
Der Demonstrator bei der BAM zeigt, wie digitale Kalibrierzertifikate (DCC) erstellt, signiert und genutzt werden können. Wir haben eine Software entwickelt, die den gesamten Kalibrierprozess digital abbildet. Die Messdaten werden mit wichtigen Metadaten wie dem Gerätetyp, dem Kunden und den angewandten Kalibrierverfahren verknüpft. Diese Daten werden dann in einem digitalen Kalibrierschein zusammengefasst, der schließlich mit dem digitalen Akkreditierungssymbol versehen wird. Das Ergebnis ist ein manipulationssicherer, maschinenlesbarer Nachweis, der vollständig digital validiert und in die Prozesse des Kunden integriert werden kann. Für diese Art der digitalen Kalibrierscheine im Rahmen einer Akkreditierung ist die Nutzung des digitalen Akkreditierungssymbols alternativlos.
Welche Rolle spielt der DCC im Hinblick auf Automatisierung von Prozessen?
Der DCC ist der erste Schritt in der Automatisierung der metrologischen Rückführung. Er ermöglicht es, Kalibrierdaten maschinenlesbar und maschineninterpretierbar bereitzustellen, was die Automatisierung bei der Nutzung dieser Daten erheblich erleichtert bzw. überhaupt erst möglich macht. Der Anwender muss die Daten nicht mehr manuell übertragen, was Fehlerquellen minimiert und Zeit spart. Laut der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) dauert die manuelle Bearbeitung eines Kalibrierscheins im Durchschnitt etwa 45 Minuten. Mit den neuen digitalen Prozessen, insbesondere durch den DCC, kann diese Zeit fast vollständig eingespart werden. Der DCC macht es möglich, dass die Kalibrierzertifikate per Knopfdruck in die Systeme des Kunden integriert und automatisiert weiterverarbeitet werden können. Das ist ein entscheidender Vorteil für die Industrie, die auf Effizienz, Präzision und Qualität angewiesen ist.
Was bedeutet es konkret für die Industrie und Wirtschaft, wenn eAttestations flächendeckend genutzt werden?
Die Vorteile für die Industrie und Wirtschaft sind enorm. Zum einen werden durch die Nutzung von eAttestations Prozesse beschleunigt, da die Dokumente digital erstellt, übertragen und verarbeitet werden können. Es entfällt der manuelle Aufwand, der bisher für die Prüfung, Verarbeitung und Administration von papierbasierten Zertifikaten nötig war. Die Digitalisierung der Qualitätsinfrastruktur sichert und steigert Wettbewerbsvorteile und bildet die Basis für Innovationen. Zum anderen schafft der flächendeckende Einsatz von eAttestations eine Flexibilität, die gerade in einer globalisierten und vernetzten Wirtschaft unerlässlich ist. So können Unternehmen weltweit problemlos Konformitätsnachweise austauschen und die Qualitätssicherung automatisieren.
Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Die Digitalisierung der Qualitätsinfrastruktur eröffnet uns völlig neue Möglichkeiten. Wir können Prozesse nicht nur beschleunigen und effizienter gestalten, sondern auch die Sicherheit und Nachverfolgbarkeit deutlich erhöhen. In einer immer dynamischeren und vernetzten Welt ist das ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Digitale Zertifikate und eAttestations sind nicht nur der nächste logische Schritt, sondern ein notwendiger Schritt, um Innovationen zu fördern und gleichzeitig verlässliche Qualitätsstandards in digitalen Workflows zu gewährleisten.
Was sind Ihrer Meinung nach die nächsten Schritte in der Entwicklung der digitalen Zertifikate?
Ich denke, der nächste Schritt muss die flächendeckende Einführung und Akzeptanz der digitalen Zertifikate sein. Der DCC und das digitale Akkreditierungssymbol haben bereits gezeigt, dass sie funktionieren und signifikante Vorteile bieten. Jetzt geht es darum, diese Technologie breit in der Kalibrierbranche zu verankern, die notwendige IT-Infrastruktur und internationale Standards zu schaffen, um die Digitalisierung in der Qualitätsinfrastruktur aber auch in Industrie und Wirtschaft weiter voranzutreiben.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Melzer.
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Susanne Kuch, M.A.
Referentin für Digitalisierungspolitik in der Qualitätsinfrastruktur | Stabsbereich Akkreditierungsgovernance, Forschung und Innovation